Dienstag, 15. Mai 2007

Great Barrier Reef (?)

Teil 6: Auf zum Great Barrier Reef?


Mein Entschluss, früh ins Bett zu gehen erwies sich als Vorteil, denn am nächsten Morgen wurden wir früh geweckt: diesmal von meiner Tante. Ihrer Ansicht nach mussten wir für den 250 Meter langen Fußweg vom Hafen nämlich 2 Stunden vor der Abfahrtszeit unseres Schiffes aufstehen. 1 ½ Stunden muss man ja mindestens für einen so langen Weg einplanen: vor allem wenn man diesen zu Fuß zurücklegt. Nach einem schnell hinuntergewürgten Frühstück, Zeit für mehr als ein Glas Milch hat man ja nicht, machten wir uns dann auf den Weg und mussten überrascht feststellen, dass wir für diesen Gewaltmarsch doch nicht mehr als 15 Minuten gebraucht hatten. “Macht ja nichts, wir können uns ja solange die Geschäfte angucken”. Ich zweifele übrigens immer noch daran ob sie verstanden hat, warum um halb 6 Uhr morgens noch kein Geschäft geöffnet hat und alle Schaufenster dunkel sind. Somit setzten wir uns auf eine Bank am Hafen und betrachteten den Sonnenaufgang. Mit anderer Gesellschaft ist so ein Start in den Tag als schön zu betrachten, aber nicht wenn man in Hörweite einer 50-jährigen Frau sitzt, die jeden neuen Sonnenstrahl mit einem lauten “Juchhu” und einem nicht minder lauten “Hallo Sonnenstrahl” begrüßte.

Als wir auch dem letzten Sonnenstrahl unsere Telefonnummer gegeben hatten und uns auf einen Kaffee verabredet hatten, wurde mir Gnade zuteil, und es war für Frühaufsteher möglich, an Bord unseres Schiffes zu gehen. Ich hätte mich jedoch lieber von jedem einzelnen Sonnenstrahl verabschiedet und ihnen eine Gutenacht-Geschichte vorgelesen inklusive Gutenacht-Kuss, als zu glauben, dass wir für eine Fahrt auf diesem Boot Geld ausgegeben hatten. Man hätte vielleicht doch ein seriöses Unternehmen aus den zahlreichen Broschüren wählen sollen; dieses hier hatte einen leichten Beigeschmack von Hinterhofshandel in der Bahnhofsgegend. Bei näherem Betrachten sah die Titanic nach ihrem Zusammenstoss seetauglicher aus. Ich wurde aber eines besseren belehrt, manchmal zählen eben doch die inneren Werte. Betrachtet an den inneren Werten, würde man das hier nämlich nicht mal mehr in der Bahnhofsgegend verkauft bekommen. Unsere Plätze bestanden aus 4 Hartschalenstühlen, aufgestellt in Reihen von jeweils 2 Plätzen. Erschöpft ließ ich mich auf dem mir zugewiesenen Platz nieder, nur um danach wieder aufzuspringen, mir die abgesplitterte, rechte Seite des Stuhles aus dem Bein zu ziehen und nach Nadel und Faden zu fragen, damit ich die Blutung fürs erste stoppen konnte. Nach weiteren 20 Minuten hatte ich zumindest mein Blutfluss gestoppt und keine 5 Minuten später startete der Kapitän den Motor.

Aufgrund der Warnung dass wir etwas rauen Seegang haben würden, nahmen meine Tante und Kerstin jeweils eine Tablette gegen die Seekrankheit. Ich selber machte mir keine Sorgen, aber als unser Mitbringsel die Einnahme verweigerte mit der Begründung, dass ihr das letzte Mal auf dem Kinderkarussell schlecht geworden wäre, organisierte ich heimlich weitere Tüten. Somit ging es dann los (die von mir bestellten Tüten waren alle in Reichweite meines Arms verstaut um schnell reagieren zu können). Unser Schnellboot schoss nur so übers Meer und sprang über die Wellen. Aufgrund der rauen See, wurde der Kotzbrocken an ein Kinderkarussell erinnert und wurde seinem Namen gerecht. Man kann ihr aber eigentlich keinen Vorwurf machen, dass sie nicht selber zu dieser Erkenntnis gelangt ist, mit 7 ½ Jahren verfügt man eben noch nicht über die gewisse Reife um solche komplexen Entschlüsse zu fassen. Somit versuchte ich einfach das Röcheln und Würgen aus der Reihe neben mir zu ignorieren (was schwer möglich war; ich kenn keine andere Person, die sich gewisse Sachen lauter durch den Kopf gehen lässt).

Ich rief mir den Tagesplan ins Gedächtnis: Schnorcheln, Mittagessen, Schnorcheln und mit ein bisschen Glück auf der Insel zurückgelassen werden (dann könnte ich wenigstens mal ausschlafen). Ich wurde aber aus meinen Gedanken gerissen, weil unser Kapitän auf einmal an unserer Reihe vorbeistürmte und sich dabei sein T-Shirt vom Leib riss. Unser Boot stoppte und er sprang ins Wasser, tauchte unter und kam nach 2 Minuten wieder an Bord. Ohne weitere Erklärung warf er den Motor erneut an. Die anderen Passagiere schienen von diesem außerplanmäßigen Tauchgang nicht viel mitbekommen zu haben. Als sich unser Schiff aber um 180 Grad dreht, fragte ich eine Schiffsbegleiterin, ob wir zurückfahren. “Es ist mir nicht erlaubt Informationen dieser Art preiszugeben”, kam als Antwort. Nachdem unser übereifriger Soldat salutiert hatte und weggetreten war, begann ich einen Plan zu entwickeln, andere Passagiere auf diese Richtungsänderung aufmerksam zu machen. Den Satz “Ich kann unseren Abfahrtsort vor uns sehen” durchs Boot zu rufen erschien mir als die effektivste Methode. Als unsere Crew aufgrund der Preisgabe dieser Top-Secret-Information durchs Boot stürmte, wurden sie von deutlich mehr Leuten angesprochen, was mir die Chance gab mich schlafend zu stellen.

Ohne die Quelle des Aufruhrs gefunden zu haben, ließ sich die Crew dann doch dazu hinab zu sagen, dass unser Motor beschädigt sei und wir zurück müssten. Die üblichen Entschuldigungen folgten, ich hörte aber nicht mehr zu. Schlimmer als die Vorstellung nicht zum Great Barrier Reef zu kommen, war nur die Tatsache, dass wir keinen Notfallplan hatten, und ich bis auf weiteres den restlichen Tag in unserer Ferienwohnung mit Kerstin, meiner Tante und, was mir die Aussicht auf einen ruhigen Urlaubstag nahm, Eloise eingesperrt sein würde. Es ließ sich aber zu diesem Zeitpunkt nichts daran ändern und die einzige Alternative wäre gewesen, vom Schiff zu springen und sich mit den Steinfischen und Seeschlangen zu beschäftigen (wobei mir dieser Gedanke ganz gut gefiel, als meine Tante verkündete, dass sie schon ein paar Ideen für diesen Tag habe).

Als wir dann nach weiteren 30 Minuten wieder im Hafen ankamen, die 4 Stunden seit unserem Aufstehen hätte man auch durchaus sinnvoller verbringen können (Armdrücken mit einem Riesenkraken wäre nur eine Alternative), wurde sich noch mal entschuldigt und wir bekamen unser Geld zurück. So kamen wir zu unserer Ferienwohnung zurück. Der Wunsch der Nervensäge die Teletupperdosen zu gucken, wurde mit einem klaren “Nein” meinerseits beantwortet und ich schaltete auf den hauseigenen Movie Channel auf dem gerade “Star Wars Episode 5” lief. Die wahrscheinlich längsten 2 ½ Stunden für eine andere Person im Raum, aber um das Murren und Stöhnen kümmerte ich mich nicht. Als ich aber nach dem Film verkündete, dass ich auch noch unbedingt den nächsten Teil gucken muss, der zufälligerweise danach gesendet wurde, brach sie in Tränen aus und verlangte Gerechtigkeit. Es konnte sich meiner folgenden, logisch korrekten Argumentation jedoch nicht widersetzen und somit konnte ich in Ruhe das Ende des Todessterns erleben. Es war nun langsam Zeit fürs Mittagessen und ich räumte meinen Sofaplatz, einem heulenden und verzweifelten Etwas in der Ecke und begab mich in die Küche.

Etwas später und mit 3 Sandwiches gestärkt, überlegte ich was ich heute noch machen könnte, als mir meine Tante eröffnete, dass wir für den nächsten Tag auf einem anderen Schiff einen weiteren Ausflug zum Great Barrier Reef machen würden; Abfahrt um sieben Uhr wenn sich das Wetter hielte. Bevor sie aber die Planung für den nächsten Tag übernehmen konnte, setzte ich 5.30 Uhr als Weckzeit fest. Das würde uns genug Zeit geben uns fertig zu machen und um 6.30 loszumarschieren. Nachdem mein Plan akzeptiert worden war, wollte ich mich draußen an den Pool legen und etwas Schlaf nachholen. Ich hätte meinen Gedanken jedoch nicht laut aussprechen sollen. Diese Form der Urlaubsbeschäftigung ist in Australien anscheinend völlig unbekannt: “Wie? Einfach an den Pool legen? Ohne was zu tun? Das kann man doch zu Hause machen, da ist es noch viel schöner!” war der Kommentar meiner Tante. Ich überlegte, ob ich beiläufig erwähnen sollte, dass wir überhaupt keinen Pool haben, dieser mit Sicherheit nicht so sauber wie dieser, von Palmen überschattet Pool wäre und ich mir unter “am Pool liegen” was anderes vorstellte, als mich im Freibad auf 1 ½ m² zu quetschen und regelmäßig von einer Horde Kinder überrannt zu werden, die auf dem Weg zum Wasser ist. Ich verwarf diesen Diskussionsansatz jedoch und fügte mich meinem Schicksal. Als meine Tante nach 10 Gängen zum Auto alle Broschüren über Aktivitäten im Umkreis von 250 km rausgeschafft hatte, begann die Planung für den Tag. Die sah so aus, dass die Top 5 meiner Tante zur Abstimmung freigegeben wurde.

Als ich diese Liste sah, konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich diese zuerst verbrennen und die Asche in einer Urne auf den Mond schießen soll oder aber ob ich die Liste ans Weiße Haus schicken und einen Hilferuf beilegen sollte (den Gedanken verwarf ich aber, da ich nicht wollte, dass Bush nach Ansicht der Liste auch Australien bombardiert). Die Liste sah wie folgt aus:
1. Forest Walking
Einfach nur durch den Wald wandern, wobei man dies doch auch zu Hause machen kann und es da doch wie im Freibad viel schöner ist
2. Beach Walking
An sich gar nicht mal so schlecht, aber die Tatsache das man ohne Schwimmsachen diese Freizeitbeschäftigung betreibt und die Betonung eher auf “Walking” anstatt auf “Beach” liegt, lässt den Reiz schnell verfliegen.
3. Landschaftsrundfahrt
Das hieß Auto, und Auto hieß 5 bemitleidenswerte BSE-Fälle ertragen zu müssen
4. Stadtbesichtung
Sehr sinnvoll bei einer Stadt die aus etwas mehr als 1 ½ Strassen besteht
5. Teleschwuchtelland:
Was war mit den Steinfischen und den Seeschlangen?


Ich enthielt mich und Kerstin, die erstaunlicherweise keine Lust hatte sich anzusehen wie Tinky-Winky seinen Dipsy wohinsteckt, schloss sich widerwillig meiner Tante an und die 4 hyperaktiven Psychopathen wurden von der Stadtbesichtigung überstimmt. Dies geschah kurz und schmerzhaft und nach 35 Minuten war sie beendet und ich schaffte es endlich meine Tante davon zu überzeugen, dass es nun zu spät ist noch etwas zu unternehmen. Ich kam dazu, mich an den Pool zu legen, zog meinen Stuhl jedoch 4 Meter weiter weg um gar nicht erst in der Nähe von Wasserspritzern zu sein die mich wecken könnten. Pünktlich zum Abendessen wachte ich auf und nachdem ich gesättigt war, verzog ich mich ins Bett, um einem erneuten Fernsehstreit aus dem Weg zu gehen (ich konnte anhand des Geschreis jedoch den Sieger raushören). Mein Ziel für den Abend war, schnell einzuschlafen, denn trotz meiner sinnvollen Planung, mussten wir relativ früh aufstehen.

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