Samstag, 19. Mai 2007

Great Barrier Reef, die zweite

Teil 7: Und wieder zum Great Barrier Reef?


Dummerweise konnte auch meine gut durchdachte Planung meine Tante nicht davon abhalten, am nächsten Tag gegen halb 5 aufzustehen. Hätte sie dann zum Beispiel Frühstück gemacht, hätte ich dir dieses Verbrechen an der Menschlichkeit noch verzeihen können. Da sie aber darauf bestand, die gesamte Ferienwohnung zu saugen, fiel es mir sehr schwer ihr dies zu vergeben. Nachdem der Staubsauger ausgeschaltet worden war, wurde ich mit einem „Guten Morgen“ meiner Tante begrüßt. Auf die Frage, ob ich denn auch gut geschlafen hätte, beschloss ich nicht zu antworten. Die Tatsache, dass der Fernseher erneut belagert wurde und bemitleidenswerte Menschen in Ganz-Körper-Kondomen über den Bildschirm hüpften, besserte meine Laune nur unmerklich. Mit einem leicht mürrischen Blick studierte ich das Fernsehprogramm und versuchte den Zeitpunkt herauszufinden, wo das frühmorgendliche Fernsehprogramm für kleine Kinder uninteressant wurde. Dieser wäre ca. gegen 9 Uhr eingetreten, sodass ich schon fürchtete, dass die Dauerbeschallung mir auch die letzten Gehirnwindungen die mir noch verblieben waren kappen könnte. Als dann auch noch die Nachricht kam, dass unser zweiter Ausflug zum Great Barrier Reef erneut wegen zu stürmischer See abgesagt worden war, hinterließen meine Zähne eine bleibende Erinnerung in der Tischplatte. Unser kleines Mitbringsel fing sofort an zu heulen, als jedoch das neueste „My Little Pony“ in der Werbung vorgestellt wurde, haben die Ponys anscheinend mit Zauberstab ihre Tränendrüsen verstopft und sie wandte sich wieder dem Fernseher zu.

Es war mittlerweile 5.15, daher beschloss ich zu frühstücken. Knapp 500 g Weizencerealien mit Farbstoffen, Geschmacksverstärkern und Vitaminzusätzen später schleppte ich mich zurück in mein Schlafzimmer und ließ mich rücklings auf mein Bett fallen. Nach 2 weiteren Stunden Schlaf wurde ich erneut in die Wirklichkeit zurückgeholt. Barbie und Ken trugen vor meiner Zimmertür gerade ihren Ehekrach aus, der darin endete, dass Ken vor meine Tür gesetzt wurde und Barbie ihn zwischen eben diese und die Motorhaube ihres Wagens klemmen wollte. Nach mehreren Versuchen, es war ja eine Frau am Steuer, eine Blonde Frau, fand das Auto dann auch sein Ziel und Ken erlag auf dem Weg ins Krankenhaus seinen Verletzungen.

Nach diesem herzzerreißenden Drama am frühen Morgen, sah ich ein, dass ich durch mein langes Schlafen zuviel von den spannenden Ereignissen des Tages verpasst hatte und stand auf. Als ich zum zweiten Mal an diesem Tag in die Küche kam, erfuhr ich einen weiteren Schock: auf dem Küchentisch hatte meinen Tante bereits einen Plan für den heutigen Tag ausgearbeitet. Blitzschnell schossen mir mehrere Ideen durch den Kopf, wie ich diese Tortur abwenden konnte, verwarf sie aber alle wieder, da sämtliche Ideen zu einem gesundheitlichen Nachteil meinerseits führen würden. Erneut fügte ich mich meinem Schicksal und versuchte optimistisch zu denken; als ich jedoch den ersten Punkt der Tagesordnung las, konnte ich mich nur mit Mühe davon abhalten, mir selbst oder zumindest einer anderen Person etwas anzutun. Der Großteil dieses Tages war mit einem Einkaufsbummel im 15 km entfernten Shopping Centre verplant. Ich überlegt noch, ob ich nicht doch einen Magen-Darm-Infekt vortäuschen sollte, da klopfte mir meine Tante auch schon auf die Schulter und geleitete mich nach draußen zum Wagen. Sobald ich mich hingesetzt hatte, wurde mir eine genaue Erklärung dessen geliefert, was Eloise für ihren Ken alles kaufen musste, damit eine Versöhnungsparty stattfinden konnte (ich hielt mich zurück ihr zu sagen, dass sie für ihre paar Dollar weder das Barbie-Wohnmobil noch den Privatjet bekommen würde). Abgesehen davon verlief die Autofahrt aber recht ruhig und kurze Zeit später kamen wir im Parkhaus an. Wir fanden sogar schnell einen Parkplatz und da hier gerade ein Kleinbus ausgeparkt hatte, dachte ich, dass wir keine großen Probleme bekommen dürften.

Allerdings hatte ich zu diesem Zeitpunkt die Einparkkünste meiner Tante besser eingeschätzt. Dummerweise stand links neben unserem Parkplatz ein Betonpfeiler, also bat meine Tante mich, sie vom Beifahrersitz zu lotsen. Hätte meine Tante auf meine Anweisungen gehört, hätte das Ganze auch funktioniert. Berücksichtig man nämlich diverse physikalische Gesetze, ist es durchaus möglich, durch Drehen des Lenkrads die Räder in eine Querstellung zu bringen, was eine nach links gerichtete Bewegung erzeugen würde. Jedoch scheint diese Erkenntnis noch nicht ganz nach Australien durchgedrungen zu sein.
Nachdem sie meinen Anweisungen nicht vertraute, beauftragte sie Kerstin damit, sie von draußen zu dirigieren. Das hieß natürlich, dass sie zuerst wieder raussetzen musste, was ihr auch erstaunlich schnell gelang. Der zweite Versuch lief dann auch perfekt, allerdings nur bis zu eben jenem Punkt, wo sie eben eine zweite Hilfe angefordert hatte. Erneut betonte ich, dass sich der Wagen vom Betonpfeiler wegdrehen würde, was meine Tante jedoch sehr elegant überhörte. Auch die Bestätigung durch Kerstin fiel auf unfruchtbaren Boden, also stieg meine Tante aus um sich die schwierige Stelle selber anzugucken, sich zurück ins Auto zu begeben und mit einem Vortrag über zu kleine Parkplätze einen anderen zu suchen. Im Seitenspiegel beobachtete ich in der Zwischenzeit wie sich eine Strech-Limousine in die kleine Parklücke quetschte; passgenau.

15 Minuten später hatten dann auch wir endlich einen Parkplatz in der Nähe des Eingangs gefunden und kaum 1 ½ km Fußmarsch später hatten wir es geschafft - der gemütliche Einkaufsbummel konnte beginnen. Doch sobald ich das Einknaufszentrum betrat und mich die kalte, klimatisierte Luft empfing, bekam ich leichte Zweifel, ob der weitere Verlauf des Tages mit meinen Vorstellungen eines gemütlichen Einkaufsbummels übereinstimmen würde. Mir schien als hätten sich sämtliche, australische Familien an diesem Tag in diesem Einkaufszentrum verabredet. Und natürlich hatte jeder dieser Familien ein 5-8 jähriges Kind dabei, das lauthals sein Bedürfnis nach irgendwelchen Spielsachen oder Süßigkeiten kundtat. Angestachelt von dem Geschrei ihrer Artgenossen, begann auch Eloise erneut ihre Stimme zu erheben und forderte uns auf, sie in das nächste Barbiegeschäft zu begleiten. Dies war allerdings eine ihrer besseren Ideen, hatte doch genau daneben ein „EB-Games“-Laden seine Pforten geöffnet. Der Gedanke mich unbemerkt davonschleichen zu können und ein bisschen Zeit unter normalen, PC-Verrückten Menschen zu verbringen, erzeugte ein leichtes Lächeln auf meinem Gesicht und ich erklärte mich bereit den kürzesten Weg zum „Barbie-Shop“ auszukundschaften. Hierbei legte ich nicht die Priorität auf die kürzeste Wegstrecke sondern auf den kürzesten Zeitaufwand. In einem Kaufhaus das zu 98% aus H&M-ähnlichen Läden besteht, ist dies ein großer, logistischer Aufwand wenn man 2 Frauen an sämtlichen Läden vorbeilotsen muss, ohne deren Aufmerksamkeit zu erregen. Es war kein voller Erfolg, allerdings hielten wir uns auch nicht all zu lange auf, 3 Stunden pro Bikini-Geschäft ist nun wirklich zu verkraften. Und da nur 2 Geschäfte besucht wurden, hielt es sich in Grenzen und wir konnten unseren Weg in Richtung EB-Games nach kürzester Zeit fortsetzen.

Zum ersten Mal hatte das Schicksal Mitleid mit mir und der Laden hatte geöffnet. Ich schickte Roberta mit Eloise ins Barbiefachgeschäft, gewährte somit Kerstin auch etwas freie Zeit und betrat endlich neutrales Gebiet. Die Freiheit dauerte aber nicht lange an, kaum 4 Stunden später wurde ich herauszitiert, da meine Tante unter Schrecken feststellen musste, dass es bereits 6 Uhr abends war (soviel zur genauen Tagesplanung von heute morgen). Somit gingen wir zurück zum Auto, fuhren nach Hause und machten es uns da gemütlich. Zumindest ich machte es mir gemütlich. Eloise verfiel in eine erneute Grundsatzdiskussion mit Kerstin über den übermäßigen Fernsehkonsum von Teenagern und die Benachteilung der kleineren Bevölkerung in Bezug auf die Kriterien bei der Zusammenstellung des Fernsehprogramms. Da sich so etwas über einen etwas längeren Zeitraum erstrecken konnte, belegte ich einfach die Couch, schaltete den Fernseher ein und versteckte die Batterien der Fernbedienung. Danach machte ich mir etwas zu essen und ließ den Abend ruhig ausklingen, da es keinen Streit mehr wegen des Fernsehprogramms gab. Eloise musste einsehen dass sie verloren hatte und stürmte wutentbrannt in ihr Zimmer; anscheinend reagierte sie sich an Ken ab der die nächste Nacht auf dem Sofa verbrachte. Meine Nacht sollte aber auch wieder zu kurz werden, da für den nächsten Tag der dritte Versuch einen Ausflug zum Great Barrier Reef zu machen anstand. Und ich hoffte, dass die See ruhig und das Schiff vollkommen in Ordnung war, noch so einen Tag würde ich nervlich nicht durchstehen.