Freitag, 11. Mai 2007

Fraser Island

Teil 4: Fraser Island


Der nächste Morgen verlief ausgesprochen ruhig. Mein elektronischer Wecker wurde nicht gegen einen biologischen ausgetauscht und man konnte sich beim Frühstück unterhalten, ohne 200 Dezibel übertönen zu müssen. Gestärkt begaben wir uns dann zum Bus, der uns zur Fähre nach Fraser Island bringen sollte. Das einzige Problem war: es gab mehr als ein Unternehmen, das Ausflüge nach Fraser Island anbietet (was für eine Überraschung, hatte man doch vorher nur 3 verschiedene Angebote im Internet verglichen und 2 Tage davor noch ein paar Broschüren betreffend Fraser Island ergattert). Anstatt aber zur Information zu gehen - 50m Wegstrecke sind ja auch wirklich zu viel - fragte meine Tante den nächsten Passanten zu welchem der 30 Busse wir denn gehen müssten, nur um danach mit einem, “Nein, das weiß ich nicht”, als Antwort sich den schönsten Bus auszusuchen und sich lauthals über unfreundliche und inkompetente Auskünfte auszulassen. Um dem zu entgehen, schlich ich mich zum Informationsbüro, ich will ja keine unnötige Aufmerksamkeit erregen und meinerseits mit Fragen bestürmt werden, und fragte die Dame hinter dem Schalter nach unserem Ausflugsunternehmen. Knapp 4 Sekunden und 2 Mausklicke später, begab ich mich zu meiner Tante zurück und wies auf den richtigen Bus am anderen Ende des Parkplatzes. Natürlich wollte sie sich aber noch vergewissern, rannte nun selbst zum Informationsbüro und beschwerte sich, dass hier nicht überall Schilder stehen, damit man eindeutig sehen kann, welcher Bus welchem Unternehmen gehört. Ohne der Frau auch nur den Hauch einer Chance zu lassen, um zu antworten, drehte sich meine Tante um und stürmte auf unseren Bus zu. Wir stiegen also endlich in den richtigen Bus und kamen ca. 10 Minuten später am Anlegeplatz der Fahre an. Nach weiteren 20 Minuten Fahrtzeit erreichten wir Fraser Island, nur um dort wieder vor 50 verschiedenen Bussen zu stehen. Mir graute schon vor dem schlimmsten und ich begann mir ein Loch im Sand zu graben, um mich zu verstecken, als die Rettung nahte: wir wurden alle nach Busunternehmen aufgeteilt und zu unseren Bussen geführt.

Die Busse waren insofern bequem und komfortabel, solange sie sich nicht auf den perfekt instand gesetzten Strassen der Insel bewegten. Es kam durchaus des Öfteren vor, dass man mit dem Kopf durch die Decke stieß weil unser Fahrer des Öfteren ein kleines Schlagloch übersah, die meisten waren unwesentlich größer als die Krater nach einem nuklearen Angriff. Wir fuhren also weiter und nach 5 Minuten wurde meine Tante, die übrigens neben mir saß weil die Nervensäge unbedingt neben Kerstin sitzen wollte, aufgrund dieser lustigen Fahrt an alle Attraktionen in Disneyland erinnert und begann diese mit unsere Fahrt zu vergleichen: Die Wasserbahn sei zu nass, der Autoscooter zu wild und die Achterbahn zu schnell gewesen… Das abstoßende Murren im Umkreis von 20m konnte sie nicht davon abhalten auch noch allen zu erzählen, was bei ihr meistens nach dem Genuss einer Achterbahn passiert, ich habe das aber leider nicht mitbekommen da ich mich flugs der Vegetation von Fraser Island zuwandte. Nach weiteren 10 Minuten im Bus verschwand aber die Vegetation und wir fuhren auf den Strand.

Wie schon am Vortag beim Anblick der Wale verebbte mein gesamter Ärger , denn als sich die Bäume rechts und links lichteten und man auf den weißen Sand, das kristallklare Wasser und den kilometerlangen Strand sah, wollte man einfach nur aussteigen und die ganze Welt umarmen. Zu diesem Zeitpunkt wurden wir von unserem Fahrer drauf aufmerksam gemacht, dass man im September des öfteren Wale vom Strand aus sehen kann und wir ihm doch einfach Bescheid sagen sollten wenn wir einen erblicken. Normale Menschen würden Bescheid sagen, indem sie zum Fahrer hingehen und ihn darauf aufmerksam machen, ganz diskret und ohne große Aufregung. Meine Tante verstand unter “Bescheid sagen” aber etwas anderes. Als sie einen Wal erspähte, sprang sie von ihrem Sitz (beim Olympischen Hochsprung hätte ihr diese Höhe Gold und einen neuen Weltrekord gebracht) und brüllte mit einer Lautstärke, dass sich Scooter wie die Öcher Domknaben angehört hätte: “STOPPT DEN BUS!!! WALE, STOPPT DEN BUS!!!” Unser Fahrer entkam nur knapp einem Herzinfarkt und die übrigen Passagiere drehten ihren Kopf zur Quelle dieses Lärms. Hätte man mich zu diesem Zeitpunkt an eine Autokreuzung gestellt, aufgrund der Farbe meines Kopfes hätten alle Autos anhalten müssen. Nur leider gab es auf Fraser Island keine Autokreuzungen, weshalb ich im Bus sitzen bleiben musste und mich nur mit einem verlegenen Lächeln wehren konnte. Nachdem sich unser Fahrer wieder seiner Funktion als Busfahrer bewusst geworden war, nahm er den dezenten Hinweis meiner Tante zur Kenntnis und verlangsamte unsere Fahrt. Wir fuhren dann eine Zeitlang neben den Walen her (wenn man 100-200 Meter Entfernung als „neben“ bezeichnen kann) bis wir uns von ihnen verabschieden mussten und dem ersten unserer Ziele auf Fraser Island entgegen fuhren. An dieser Stelle muss gesagt werden, dass Fraser Island eine Insel komplett aus Sand ist, trotz allem aber eine durchaus üppige Vegetation aufweist. Außerdem ist Fraser Island für seine so genannten “Creeks” bekannt, Süßwasserflüsse, die im Inneren der Insel entspringen und sich dann mit ihrem eiskalten Quellwasser ihren Weg zum Strand bahnen, um da in den Pazifischen Ozean zu münden. Zu einem dieser Creeks fuhren wir gerade und als ich aus dem Bus stieg und mich die warme Pazifikluft umgab, verschlug es mir abermals die Sprache. Inmitten eines dichten Waldes, war ein 10 Meter breites, baumfreies Stück, aus dem Wasser strömte.

Unser Fahrer gab uns noch den Rat, nicht direkt ins Wasser zu gehen, da Quellwasser von Natur aus sehr kalt sei. Zu diesem Zeitpunkt nahm ich aber nur noch 2% dessen war, was um mich herum geschah (der Nachteil war der Schock den ich später bekam als ich die Klamotten sah, welche meine Tante trug nachdem sie sich umgezogen hatte: Khaki-Shorts, gelbes Shirt, Sandalen die man nicht mal bei Birkenstock bekommen kann und dazu weiße Socken. Wer hat am ersten Urlaubstag was von Kleiderordnung gesagt?). Ich ging also ungeachtet des Hinweises einfach drauf los und kaum stand ich im Wasser, merkte ich wie sich mir die Haare aufstellen; zum Teil wegen des kalten Wassers, aber auch wegen dem Anblick der sich mir bot: Diamantklares Wasser, weißer Sand, Palmen am und im Wasser – kurzum: das Paradies. Getrübt wurde dies einzig durch die kurze Aufenthaltszeit von 35 Minuten.

Danach fuhren wir weiter, es war mittlerweile 12.30 Uhr, und wir erreichten unseren Aufenthaltsort fürs Mittagessen. Diesmal war ich jedoch auf einen Logikanfall meiner Tante vorbereitet und ich sagte ihr, dass ich die ganze Sache vorher schon in Erfahrung gebracht hätte und das Essen auf jeden Fall umsonst sei. Somit konnten wir direkt das Buffet stürmen; das Essen war im Gegensatz zum Vortag ausgesprochen gut. Gegen 1.30 Uhr ging es dann weiter zu unserem Nachmittagsstopp für diesen Tag. Schon auf dem Weg dahin versuchte unser Fahrer uns einige Informationen über den See zu geben; leider tat er dies auf Alleinunterhalterart, weshalb ich mich wieder begann für andere Dinge zu interessieren. Meine kleine Cousine rechts neben mir hatte eine seltene Eingebung, dass es manchmal besser ist die Klappe zu halten; könnte aber auch damit zusammengehangen haben, dass er sich beim Essen so schlecht benommen hat, dass meine Tante Fernseh- und Computerverbot für den nächsten Tag ausgesprochen hat. Wenn man dabei die Tatsache, dass wir keinen Computer dabei hatten und wir den nächsten Tag eh zu 95% im Auto verbringen würden, aus den Augen lässt, zeigte sie damit zum ersten Mal erzieherische Qualitäten. Nachdem wir uns weitere 20 Minuten über Strassen quälten, die irgendwann mal das Ziel atomarer Schlachten waren, erreichten wir letztendlich Lake Birrabeen. “Das besondere an diesem Süßwassersee ist sein niedriger PH-Wert von 4,7”, meinte unser Fahrer. Im Prinzip kann einem der PH-Wert aber vollkommen egal sein, vor allem wenn man einen tiefblauen See sieht, der von Sanddünen umgeben ist auf denen Palmen nur so wuchern. Dies war zum Glück unser letzter Stopp für den Tag, die hieß nämlich mehr als 2 Stunden Aufenthalt. Dies war zwar leider auch zu schnell vorbei, aber es hatte meine Laune erheblich gebessert. Somit fuhr ich mit einem leichten Grinsen im Bus zurück zur Fähre.

Als wir schlussendlich unser Hotel erreichten, kam mir der Tag gar nicht mal so schlimm vor. Ich hatte aber nicht mit einem weiteren Gefühlsausbruch eines kleinen, menschlichen Wesens gerechnet. Sie wollte heute unbedingt ihre Lieblingssendung im Fernsehen gucken, welche sich aber mit der Lieblingssendung von Kerstin überschnitt. Kerstin machte dann jedoch den Fehler mit dem Verbot meiner Tante zu argumentieren, woraufhin das Kind anfing zu schreien und meinte, dass alle gegen sie seien. Aufgrund der bevorstehenden Abfahrt am nächsten Tag, beschloss ich deshalb, früh ins Bett zu gehen und das Revier den anderen zu überlassen.

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